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Integration der Zuwanderkinder: Schulische Situation von Kindern und Jugendlichen

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Am Beispiel allgemeinbildender Schulen in Göttingen

Die Integration der Zuwandererkinder und -jugendlichen in das soziale und gesell­schaftliche System der Bundesrepublik Deutschland hängt wesentlich von den Bil­dungschancen, die sie hier wahrnehmen können, ab.

Um so erschreckender sind Beobachtungen, dass an den entscheidenden biographi­schen Stellen: dem Schulabschluß, der Berufsausbildung und der Einstellung in ein Arbeitsverhältnis, die Situation der Zuwandererkinder und -jugendlichen wesentlich schlechter ist als bei Gleichaltrigen der deutschen Bevölkerung.

Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler mit ausländischem Pass an allgemeinbil­denden Schulen sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ihre Schulbilanz hat sich zwar im Laufe der achtziger Jahre leicht verbessert, trotzdem verfügen sie deutlich seltener über qualifizierte Schulabschlüsse. Von den 85900 Schülerinnen und Schülern mit ausländischem Pass, die 1996 aus den allgemeinbildenden Schulen in Deutschland entlassen wurden, waren 14,7 Prozent ohne Hauptschulabschluß ge­genüber 4,9 Prozent bei den deutschen Schülerinnen und Schülern. Nur 8,5 Prozent erlangten die Hochschulreife, bei den deutschen Schülern waren es 25,8 Prozent.

Die Ursachen für diese unbefriedigende Bildungssituation sind vielfältig. Bis heute wird die niedrige Bildungserfolgsquote der Zuwandererkinder und -jugendlichen mit individuellen Erklärungsansätzen, wie z.B. Lernschwierigkeiten, Fehlen eines unter­stützenden Hintergrundes bis hin zu bildungsfeindlichen Einstellungen der Familien zu erklären versucht. Eine solch einseitige Auslegung reicht für eine Analyse der Bildungssituation von Zuwandererschülerinnen und -schülern nicht aus. Oft verhin­dern gerade solche Interpretationen das Erkennen – und damit auch die Behebung -der primären Ursachen des allzu häufigen Scheiterns nichtdeutscher Schülerinnen und Schüler im deutschen Bildungssystem.
Seltener werden dagegen institutionelle Ursachen, strukturelle und gesellschaftliche Dimensionen für die fehlende Partizipation im Bildungssystem thematisiert.

Die vergleichsweise niedrige Partizipation von Zuwandererkindem im Bildungssystem spiegelt sich auch in den Schulstatistiken der Stadt Göttingen wider und findet ihren deutlichen Ausdruck im Anschluss an die Schule, in den geringen Chancen der be­ruflichen Ausbildung und Erwerbstätigkeit, die sich durch die geringe Industriean­siedlung in der Universitätsstadt verschärft.
Parallel zu dieser Situation wurden wir im Frühjahr/Sommer 1998 verstärkt von meheren Göttinger Schulen um Unterstützung bei der Beschulung von Zuwanderer­kindern, insbesondere Flüchtlingskindern gebeten. Konkreter Anlaß war die bevor- stehende Schließung einer Flüchtlingsunterkunft und damit verbunden, die Streichung der sozialpädagogischen Betreuung, die sich durch eine intensive schulbegleitende Sozialarbeit auszeichnete.

Vor diesem Hintergrund haben wir, d.h. die Zukunftswerkstatt e.V., der Ausländer­beirat Göttingen und die Carl von Ossietzky Universität Oldenburg – Institut für Bil­dung und Kommunikation in Migrationsprozessen (IBKM) – , im September 1998 den Projektverbund Migration und Schule gegründet. Die vorliegende Studie ist das Ergebnis dieser Zusammenarbeit.

Neben der Analyse der konkreten Bildungssituation der Zuwandererkinder und -ju­gendlichen an allgemeinbildenden Schulen in Göttingen war Ziel unserer Untersu­chung, eine Grundlage für die Handlungs- und Verbesserungsansätze zu entwickeln, vor allem durch die Einbeziehung aller Beteiligten: Lehrer und Lehrerinnen, im Migrationsbereich und in der Bildung tätige Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern.

Insbesondere war für unsere Untersuchung wichtig, die Betroffenen, d.h. die zuge­wanderten Schülerinnen und Schüler und ihre Eltern, mit ihren Vorstellungen, Wün­schen und Perspektiven zu Wort kommen zu lassen und durch diesen Perspektiven­wechsel die bis heute weit verbreitete defizitäre Sichtweise von den Zuwanderer­kindern und ihren Eltern umzukehren. Grundlage für unsere Untersuchung zur schulischen Situation von Zuwandererkindern an allgemeinbildenden Schulen in Göttingen waren:

  • uns zugängliche Daten und Statistiken zur Bevölkerung und Bildungssituation in Göttingen,
  • Untersuchung über die schulische Situation von Migrantenkindern in Göttingen1,
  • offene Experteninterviews mit im Bildungs- und Migrationsbereich tätigen MultiplikatorInnen, LehrerInnen, Zuwandererschülerinnen und Zuwanderereltern so­wie
  • die Ergebnisse einer mit Unterstützung des Pädagogischen Seminars der Universi­tät Göttingen durchgeführten Befragung über bestehende Fördermaßnahmen und Angebote für muttersprachlichen Unterricht an Göttinger Schulen.

Bei der Auswertung der vorgenannten Materialien zur Situation in Göttingen haben wir Erkenntnisse der Migrationsforschung berücksichtigt, mit dem Ziel, durch die Verbindung unterschiedlicher Vorgehensweisen und Materialien ein weitgehend ab­gesichertes Bild über die schulische Situation von Zuwandererkindern in Göttingen zu erhalten.

Die von uns angesetzte Methodik des Experteninterviews stellen wir im ersten Kapi­tel dar. Bei der Auswahl der Experten und Expertinnen kam es uns darauf an, sowohl felderschließende Informationen als auch Handlungsoptionen zur schulischen Situa­tion zugewanderter Kinder zu erhalten. Zur Erfassung des Spannungsfeldes zwischen zugewanderten Schülerinnen und Eltern und Schule haben wir intensive nicht­standardisierte Interviews mit MultiplikatorInnen, LehrerInnen, Zuwanderereltern und ZuwandererschülerInnen durchgeführt.

Im zweiten Kapitel leiten wir mit der Darstellung und Auswertung der Bevölkerungs- ­und speziell Schulstatistiken in der Stadt und dem Landkreis Göttingen in die The­matik ein. Anhand der Analyse der Altersstruktur der zugewanderten Bevölkerung in der Stadt Göttingen läßt sich prognostizieren, dass auch ohne neue Zuwanderung der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit ausländischem Pass an Göttinger Schu­len weiterhin ansteigen wird. Ebenso bestätigt ein Vergleich der Verteilung nicht­deutscher Schülerinnen und Schüler nach Schularten im Zeitraum der letzten zwölf Jahre in Göttingen den bundesweiten Trend des Rückgangs an der Bildungs­partizipation von Zuwandererkindern.

Grundlage für die Beschulung und Förderung der Zuwandererkinder im Bildungs­system sind die bildungspolitischen Rahmenbedingungen, d.h. die gesetzlichen Vor­gaben und deren Durchführungsbestimmungen seitens der Landesregierung und Lan­desbehörde. Ihre ausführliche Darstellung und Diskussion erfolgt im dritten Kapitel.

Ausgehend von den vorgenannten Ausführungen erfolgt im vierten Teil unserer Stu­die die Auswertung der von uns durchgeführten Interviews.
Aufgrund der Komplexität des zu untersuchenden Bereiches, sind wir bei unserem Forschungsprojekt von folgenden Fragestellungen ausgegangen:

Welche Unterstützungs- und Förderangebote für zugewanderte Schülerinnen und Schüler bestehen in Göttingen? Werden sie in Anspruch genommen? Sind sie in aus­reichendem Maße vorhanden und werden sie ihrem Anspruch auf Integration der Zuwandererkinder in das Schulsystem gerecht?

Welche Strategien und Maßnahmen zur Integration haben die Schulen entwickelt und welche Erfahrungen wurden damit gemacht?

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen Schule und Zuwanderereltern?

„Welches Ver­ständnis ihrer Rolle und welche Möglichkeiten haben Zuwanderereltern zur Unter­stützung ihrer Kinder im Schulbildungsprozess?

Welche Maßnahmen können ihre Einbeziehung und Beteiligung intensivieren?
Bestehen Unterschiede in der schulischen Situation zwischen Mädchen und Jungen?
Welche Lösungsansätze können zur Verbesserung der derzeitigen Situation beitra­gen?

Die Auswertung der Interviews unter vorgenannten Fragestellungen haben wir nach Themenblöcken vorgenommen und entsprechend im vierten Kapitel unserer Studie dargestellt. Die für uns zentralen Ergebnisse der Studie werden im anschließenden Resümee zusammengefaßt.
Im fünften Kapitel stellen wir die Göttinger Albani-Schule, eine interkulturelle Schule, vor. Mit der Vorstellung dieses Modells möchten wir der bestehenden Vielfältigkeit in der Beschulung von Zuwandererkindern in Göttingen Rechnung tragen. Wir ver­binden hiermit die Hoffnung, dass diese Modellschule, die sich der interkulturellen Pädagogik verpflichtet fühlt, Anregungen und Denkanstöße für die Zukunft bietet.

Schließlich möchten wir bemerken, dass in der vorliegenden Studie die schulische Situation von Zuwandererkindern und -jugendlichen an allgemeinbildenden Schulen in Göttingen untersucht wurden. Die hierbei gewonnenen Ergebnisse können als Aus­gangspunkt für eine weitergehende Diskussion zur Verbesserung der schulischen In­tegration von Zuwandererkindern und -jugendlichen in Deutschland dienen.

 

Das gesamte Studie können Sie über folgenden Link einsehen: Zur schulischen Situation zugewanderter Kinder und Jugendlicher – Am Beispiel allgemeinbildender Schulen in Göttingen.pdf (Größe 3,5 Mb)

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